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Ein umfangreicher internationaler Graumarkt mit SIM-Mobilfunkkarten fördert im großen Stil Manipulationen und Betrügereien im Internet. Nach einer Studie der Universität Cambridge werden die physischen und virtuellen SIM-Karten von Anbietern wie SMSActivate, 5Sim, SMShub und SMSPVA für die Verifikation von gefälschten Online-Konten bei Social-Media-Plattformen oder E-Commerce-Anbietern verwendet. “Wir haben es mit einem florierenden Untergrundmarkt zu tun, auf dem unauthentische Inhalte, eine unechte Popularität und politische Einflusskampagnen leicht und offen zum Verkauf stehen”, sagte Jon Roozenbeek, Co-Leiter der Studie.
Fragwürdige oder kriminelle Bots per SMS bestätigt
Viele Online-Plattformen verlangen bei der Einrichtung eines neuen Kontos eine Verifikation via SMS. Diese Sicherheitsmaßnahme soll dazu dienen, die Authentizität von Konten zu bestätigen und die massenhafte Erstellung gefälschter Profile einzudämmen. Die Verifizierung soll eigentlich bestätigen, dass ein Mensch ein Konto bei Diensten wie WhatsApp, Telegram, Facebook, X, Shopify und Amazon einrichtet. Mit den SIM-Karten vom Graumarkt werden aber in diesem Fall virtuelle Bot-Armeen verifiziert.
Kriminelle, aber auch intransparente politische Akteure nutzen die Fake-Konten zum einen dazu, ihre eigene Online-Präsenz größer erscheinen zu lassen als sie tatsächlich ist. Dabei werden die Zahlen künstlich aufgebläht, so dass sie gut aussehen, aber wenig bedeuten – etwa Likes, Follower oder Shares, die gekauft oder manipuliert wurden, um einen Account populärer wirken zu lassen.
Mit Hilfe von SIM-Karten vom Graumarkt werden aber auch Social-Media-Konten erstellt, die absichtlich sehr wütend machende oder provozierende Inhalte posten, damit viele Menschen heftig reagieren und kommentieren. Diese Aktionen werden oft geplant und orchestriert, damit ein Trend entsteht, der auch arglose Nutzer beeinflussen soll.
Bestätigung für WhatsApp und Telegram besonders teuer
Die Forscher aus Cambridge fanden dabei heraus, dass sich die Preise für die Fake-SIM-Verifikationen je nach Anwendung und vermeintlichem Herkunftsland der SIM-Karte beträchtlich unterscheiden. Am teuersten ist WhatsApp mit einem Durchschnittspreis von 1,02 US-Dollar pro Verifizierung, gefolgt von Telegram mit 0,89 Dollar pro Kontobestätigung.
Bestätigungen für Online-Plattformen, bei denen die Mobilfunknummer der Nutzer im Gegensatz zu WhatsApp und Telegram nicht offen eingesehen werden kann, sind dagegen für weniger Geld zu haben. Facebook, Grindr und Shopify kosten durchschnittlich acht US-Cent pro Verifizierung, für Konten bei X und Instagram sind es zehn Cent, bei TikTok und LinkedIn sind es elf Cent und bei Amazon durchschnittlich zwölf Cent.
Um den Handel mit SIM-Karten-Verifikationen transparent zu machen, haben die Wissenschaftler den “Cambridge Online Trust and Safety Index” (COTSI) entwickelt, der die täglichen Preise für SMS-Verifizierungen für 197 Länder und mehr als 500 Plattformen erfasst.
Bot-Preise steigen vor nationalen Wahlen
Mit Hilfe der COTSI-Daten, die im Web kostenlos unter cotsi.org verfügbar sind, konnten die Wissenschaftler auch herausfinden, ob und wie der Markt auf politische Ereignisse reagiert. Dazu wurden im Vorfeld von 61 nationalen Wahlen die Preisdaten für acht Social-Media-Plattformen (Google/YouTube/Gmail, Facebook, Instagram, Twitter/X, WhatsApp, TikTok, LinkedIn und Telegram) analysiert. Es stellte sich heraus, dass die Preise für SMS-Verifizierung für Telegram und WhatsApp App in den 30 Tagen vor einer nationalen Wahl spürbar ansteigen. Die Preise für Telegram-Verifizierungen legten durchschnittlich um 12 Prozent zu, bei WhatsApp waren es plus 15 Prozent. Bei den anderen sechs Plattformen blieben die Preise dagegen stabil.
Die Kosten für eine SMS-Verifizierung hängen auch von den Herkunftsländern der verwendeten SIM-Karten ab. Besonders teuer waren Verifizierungen mit SIM-Karten aus Japan mit einem durchschnittlichen Preis von 4,93 Dollar, gefolgt von Australien (3,24 Dollar), Türkei (2,54 Dollar) und Malta (2,18 Dollar). Zu den günstigen SIM-Karten-Herkunftsländern gehören die Vereinigten Staaten mit 26 US-Cent, Großbritannien mit 10 Cent und Russland mit 8 Cent pro Verifizierung. Deutschland liegt im Mittelfeld. Wenn eine SIM-Karte für die Verifizierung einem der vier deutschen Mobilfunknetze (Deutsche Telekom, Vodafone, Telefónica O2 sowie 1&1) zuzuordnen ist, werden 63 Cent im Durchschnitt für eine Verifikation fällig.
“Massenhafte SIM-Karten-Beschaffung erschweren?”
In der Studie regen die Wissenschaftler eine Debatte an, ob die massenhafte Beschaffung und Verwendung von SIM-Karten erschwert werden sollte. Sie verwiesen darauf, dass in Großbritannien seit April der Betrieb von sogenannten SIM-Farms ohne legitimen Grund nicht mehr erlaubt ist. Das sind technische Geräte, die gleichzeitig viele SIM-Karten enthalten können – oftmals mehrere Dutzend bis hunderte SIM-Karten. Damit lassen sich Massen-SMS versenden, Telefonnummern schnell wechseln und zahlreiche Verifizierungen vornehmen, um viele Online-Konten gleichzeitig anzulegen oder massenhaft betrügerische Phishing-Nachrichten zu verschicken.
Gleichzeitig fordern die Wissenschaftler aus Cambridge die Betreiber der Plattformen auf, das Herkunftsland der SIM-Karte, das bei der Verifizierung verwendet wurde, transparenter zu machen. Bei Diensten wie Google/YouTube/Gmail, Facebook, Instagram, Twitter/X, TikTok und LinkedIn sei das Land, in dem das Konto registriert ist, für andere Nutzer in der Regel nicht sichtbar. Bei Messaging-Apps hingegen sei leicht zu erkennen, woher ein Konto stamme. (dpa/jm)
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